
Interviewprojekt der Klasse P24f: Begegnungen mit besonderen Persönlichkeiten aus Solothurn und Umgebung
Der 50-jährige Imam und Seelsorger Abdullah Esati und seinen schwierigen Weg von dem Kosovo in die Schweiz. Wir wollten ihn porträtieren, da wir seinen untypischen und interessanten Beruf sehr spannend finden.
Zuhören, helfen, leiten – Mein Leben als Imam und Seelsorger
In ein fremdes Land zu kommen, ohne die Sprache zu beherrschen, war nicht einfach. Doch mit viel Motivation und dem Traum, Imam zu werden, habe ich es geschafft. Der Start in der Schweiz war ebenfalls schwierig, da mein Abschluss hier nicht anerkannt wurde. Ich musste zunächst in einem anderen Beruf arbeiten, da die Tätigkeit als Imam offiziell nicht anerkannt war.
Meine Ausbildung begann mit einer islamischen Matura im Kosovo. Danach ging ich nach Jordanien, wo ich innerhalb eines Jahres Arabisch lernen musste – eine Sprache, die für mich sehr besonders ist –, um dort studieren zu können.
Den Wunsch, Imam und Seelsorger zu werden, verdanke ich meinem Großvater, der selbst Imam war. Seine Worte und sein Verhalten haben mich tief beeindruckt, auch wenn ich nur wenig Zeit mit ihm hatte, da er starb, als ich zehn Jahre alt war.
Mein Arbeitsalltag ist sehr unterschiedlich. Als Imam habe ich vor allem an den Wochenenden viel zu tun, weshalb meine freien Tage oft auf Montag und Dienstag fallen. Als Seelsorger arbeite ich zu festen Zeiten im Gefängnis und führe Gespräche mit Insassen.
Beide Berufe bringen Herausforderungen mit sich. Als Imam trägt man viel Verantwortung und wird oft nicht anerkannt. Als Seelsorger beschäftigt einen das Schicksal der Insassen sehr, und man denkt viel darüber nach, wie man ihnen helfen kann.
Glaubensgespräche im Gefängnis – Meine Arbeit als Seelsorger
Ich bin nicht nur im Gefängnis als Seelsorger tätig, sondern auch in anderen Institutionen wie Spitälern oder Kliniken. Doch gerade im Gefängnis finde ich die Arbeit besonders spannend und intensiv. Die Gespräche mit den Insassen sind oft sehr persönlich. Viele kommen nicht wegen Schuldgefühlen, sondern weil sie Fragen zur Religion haben oder Unterstützung in Glaubensfragen suchen.
Der Glaube kann in schwierigen Situationen wie Haft eine große Hilfe sein. Im Islam glaubt man an einen barmherzigen Gott. Wenn jemand aufrichtig betet, Reue zeigt und seine Tat nicht wiederholt, kann ihm Allah vergeben. Diese Hoffnung gibt vielen Gefangenen Kraft und Perspektive. Manche finden sogar erst im Gefängnis zum Glauben, weil sie in der Not beginnen, sich mit tieferen Fragen auseinanderzusetzen.
Das Vertrauen zwischen mir und den Insassen ist in der Regel sehr groß. Sie wissen, dass ich als Gläubiger Imam ihre Geheimnisse nicht weitergebe – das wäre eine Sünde. Unsere Gespräche sind vertraulich und finden ohne Anwesenheit von Wächtern statt, was den Austausch besonders ehrlich und offen macht.
Einblicke des Lebens eines Imams in der Schweiz
Ich bin Imam und das bedeutet, ich helfe Menschen im Glauben, leite das Gebet in der Moschee und rede mit Jugendlichen über den Islam.
Wenn jemand Vorurteile gegen den Islam hat oder etwas Gemeines sagt, bleibe ich ruhig. Ich zeige mit Respekt, dass wir Muslime nicht alle gleich sind. Ich finde, man sollte erst einen guten Muslim kennenlernen, bevor man sich eine Meinung bildet.
Es gibt auch Muslime, die den Islam anders verstehen als ich. Aber das ist okay. Im Koran steht: „Ihr habt eure Religion und wir haben unsere.“ Das heißt, wir sollen uns gegenseitig respektieren, auch wenn wir unterschiedlich denken.
Jugendliche stellen mir oft Fragen. Zum Beispiel: „Was soll ich tun, wenn ich freitags Schule habe und nicht zum Gebet kann?“ Ich versuche dann, ihnen zu helfen und gute Lösungen zu finden.
Manchmal kommen Jugendliche zu mir, die ihren Glauben verlieren. Dann rede ich mit ihnen ganz ruhig. Ich versuche, ihr Herz zu berühren – mit Respekt. Ich will zeigen, dass Religion nichts Schlechtes ist.
Für mich ist der Islam mein Leben. Besonders schön finde ich einen Vers im Koran: „Wir haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennenlernt.“ Das zeigt, wie wichtig Respekt und das Miteinander ist.
Imam in der Schweiz zu sein, ist nicht leicht. Der Beruf wird nicht richtig anerkannt und oft stehe ich allein da. Aber es gibt auch schöne Momente. Einer der besten war, als bei meiner Freitagspredigt über 500 Menschen gekommen sind. Früher waren es nur 100. Da wusste ich: Die ganze Mühe hat sich gelohnt.
Wenn ich Schülerinnen und Schülern etwas mitgeben darf, dann ist es das: Respektiert einander. Das ist das Wichtigste im Leben.